Im hohen Norden, tief im Schnee,
da lebt der Doktor Aututweh.
Er hilft ein jedem kranken Tier,
dem Kälbchen und dem alten Stier,
dem Ferkel und der Ziege,
sogar der Stubenfliege.
Zum guten Doktor Aututweh
kommt jeder, wenn ihm etwas fehlt.
Einst kam zu ihm ein kleines Reh:
„Mich stach ’ne Wespe. Das tut weh.“
Zum Doktor kam auch eine Katze,
die hinkte auf der linken Tatze,
miaute ständig „Aua, aua,
ich fiel von einer hohen Mauer.“
Die Hasenmutter kam mit ihrem Kleinen,
das schluchzt und hört nicht auf zu weinen.
„Mein Häschen hüpfte über eine Straße
und stolperte und fiel auf seine Nase.
Jetzt ist das Näschen ganz zerschrammt.“
„Du armes Häschen, keine Angst!
Ich mach’ dein Näschen wieder ganz“,
so sprach der Doktor Aututweh.
Mit Salbe, Pflaster und Verband
kuriert er Häschen, Katz’ und Reh.
Die Katze klettert wieder auf die Scheune,
das Kitz springt fröhlich zwischen Bäumen,
und übers Feld da hüpft das Häschen
und riecht mit seinem Schnuppernäschen
an allen Blumen auf dem Feld.
Einst saß der Doktor unter einem Baum,
da kam – er traute seinen Augen kaum –
ein Pferd, ganz schwarz und weiß gestreift
(das Zebra heißt, wie jeder weiß),
und auf dem Zebra saß sehr bleich,
fest angeklammert an die Mähne,
eine verstrubbelte Hyäne.
Sie rief:
„Ich bringe eiligst einen Brief,
den unser Flußpferd Ihnen schrieb.“
Der Doktor liest:
„Mein lieber Doktor Aututweh,
ach, kommen Sie, so schnell es geht.
Wir sind in großer Sorge:
All unsere Jungen sind erkrankt.
Drum kommen Sie am besten morgen
nach Afrika. Der Weg ist lang.
Es grüßt mit einem dicken Kuß,
ergebenst. Hippopotamus.“
Da fragt der Doktor Aututweh:
„Ist wahr, was hier geschrieben steht?
Sind eure Kinder alle krank?
Potzblitz, das wär’ ja allerhand!“
„Ja, ja“, erwidert die Hyäne,
„sie haben Fieber und Migräne,
Angina, Mumps und Allergie,
Malaria und Diphtherie.“
„Gut, gut, ich reise heute schon
und mach’ die Kinderchen gesund.
Doch muß ich wissen, wo ihr wohnt,
im Wald oder im Sumpf?“
„Wir leben, Doktor Aututweh,
auf Sansibar und am Malawi-See,
und manche auch in der Sahára
und im Gebirge Usambara
und dort, wo Hippopotamus
sich badet im Limpópo-Fluß.“
Und der Doktor springt auf und läuft auf schnellen Füßen
über Hügel und Felder, durch Wälder und Wiesen.
Und er läuft ohne Zaudern und Schwanken,
denn er hat nur einen Gedanken:
„Auf, auf zum Hippopotamus!
Bald bin ich am Limpópo-Fluß.“
Doch ein Sturm zieht auf und braust ihm entgegen,
es hagelt und schneit auf allen Wegen.
Und der eisige Wind pfeift ihm ins Gesicht:
„Kehr wieder um, du schaffst es nicht!“
Der Doktor stolpert und fällt in den Schnee.
„Ich kann nicht mehr“, ruft Aututweh.
Doch seht, da trabt ein Rudel zottliger Wölfe
hinter Tannen hervor, dem Doktor zu helfen.
„Sitz auf“, knurrt einer, „und frag nicht viel.
Wir bringen dich schon heil ans Ziel.“
Und der Doktor steigt auf, galoppiert geschwind
über Hügel und Felder, durch Schnee und Wind.
Und er eilt ohne Zaudern und Schwanken,
denn er hat nur einen Gedanken:
„Auf, auf zum Hippopotamus!
Bald bin ich am Limpópo-Fluß.“
So erreichen sie schließlich das weite Meer,
das donnert und schäumt und wütet schwer.
Es kommt eine Woge, gar riesengroß,
die Aututweh zu verschlingen droht.
Und der gute Doktor verliert den Mut
vor dieser gewaltigen Flut.
„Was ist, wenn ich im Ozean ertrinke
und auf den Grund versinke?
Was wird dann aus den armen Kleinen,
die krank sind und fiebern und weinen?“
Doch seht nur, da kommt ein Wal geschwommen.
Der Wal ist dem Doktor wohlgesonnen.
„Steig auf, Aututweh, und verlaß dich auf mich.
Ich durchquere das Meer wie ein Schiff.“
Und der Doktor steigt auf ohne Zaudern und Schwanken,
denn er hat nur einen Gedanken:
„Auf, auf zum Hippopotamus!
Bald bin ich am Limpópo-Fluß.“
Und wieder an Land eilt nun Aututweh,
bis ein Gebirge sich vor ihm erhebt.
Die Berge sind riesig, die Berge sind steil,
der Doktor klettert und steigt und steigt.
Doch der Berg reicht bis an die Wolken heran.
Dem Doktor wird allmählich bang.
„Bin ich in den Bergen gefangen
und werde ans Ziel nimmer gelangen,
was wird dann aus den armen Kleinen,
die krank sind und fiebern und weinen?“
Doch seht nur, da kommt ein Adler geflogen,
„Steig auf“, sagt er, „wir fliegen nach oben:
Ich trage dich durch die eisige Luft
über Gipfel und Felsenschlucht.“
Und der Doktor steigt auf ohne Zaudern und Schwanken,
denn er hat nur einen Gedanken:
„Auf, auf zum Hippopotamus!
Bald bin ich am Limpópo-Fluß.“
In Afrika, in Afrika,
am großen weiten Fluß,
da seufzt und klagt
schon ganz verzagt
der Hippopotamus.
Er wandert ohne Rast und Ruh’,
er wartet und fragt immerzu:
„Wo bleibt denn Doktor Aututweh?
Kommt er nicht bald, ist es zu spät!“
Im Dschungel laufen hin und her
die alten Elefanten.
Sie wiegen ihre Köpfe schwer
in düsteren Gedanken:
„Hat uns der Doktor ganz vergessen?
Die Elefantenbabys sind sehr krank.
Sie wollen nichts mehr fressen
schon eine Woche lang.“
In Afrika, in Afrika
auf hohen Kokospalmen,
da sitzen Affen ohne Zahl,
die ständig Ausschau halten.
Sie schauen auf den Ozean
und rufen: „Ist ein Schiff in Sicht?“,
und fragen auch den Pelikan:
„Kommt Aututweh noch nicht?“
Das Nashorn unter’m Palmenhain
schnaubt wütend und schaut finster drein.
Verschnupft sind alle Nashornkinder,
und alle frösteln wie im Winter.
Die Kleinen reden wirr im Fieber
und fragen immer wieder:
„Kommt denn der Doktor bald?“
„Ach, mir ist kalt, so kalt“.
In Afrika am Blauen Nil,
da liegt das alte Krokodil
und brütet in der Sonne.
Und traurig ist das Krokodil,
denn Sorgen hat es viel.
Denn Leopold, den Kleinen,
hört man jetzt bitter weinen.
Ihn plagt das Zahnweh Tag und Nacht.
Und wann hat er zuletzt gelacht?
Ja, all die Tierchen sind jetzt krank
in Afrika, in Afrika.
Sie husten, schniefen tagelang,
sie haben Mumps und Cholera,
die Masern und Malaria
und Diphtherie
und Allergie.
Und die Eltern haben nur einen Gedanken:
Wo bleibt denn unser Aututweh?
Hat keiner den guten Doktor geseh’n?
Doch seht, da kommt ein Riesenvogel,
immer näher, kreisend, kommt er geflogen.
Zwischen den Flügeln sitzt Aututweh,
er schwenkt den Hut und ruft „Juchhe,
es lebe das schöne Afrika!“
Da freut sich die ganze Kinderschar.
„Der Doktor ist da, hurra, hurra!“
Schon eilt der Doktor zu den Kranken,
zu den Nashörnern und Elefanten,
von den Elefanten zum Dromedar,
vom Dromedar zum Jaguar,
vom Jaguar zu den Affen,
von den Affen zu den Giraffen,
von den Giraffen zum Krokodil
am Blauen Nil und vom Nil
zum Limpópo-Fluß
zum großen Hippopotamus.
Er mißt das Fieber bei den Jungen
und besieht ihre roten Zungen
und krault einem jeden den Bauch
und gibt Pillen und Tropfen zuhauf.
Und jedes Kind kriegt Vitamine:
eine Ananas und Apfelsine.
Dazu noch ein Stück Schokolade.
Zehn Tage müht sich Aututweh,
er ißt nicht, schläft nicht und trinkt nur Tee,
schon bald macht er alle Kinder gesund,
und jedes Tier tut lauthals kund:
„Der Doktor ist zu jedem Kranken geeilt.
O wei, o wei, o wei!
Der Doktor hat sie alle geheilt.
Ei, Ei, Ei, Ei!
Jetzt können die Tierchen wieder lachen
dank Aututweh!
Und fröhlich sein und Faxen machen
dank Aututweh!“
All die Äffchen, sehr behende,
klatschen vornehm in die Hände,
turnen durch den Palmenhain
oder tanzen Ringelreih’n.
Und das kleine Krokodil,
unser Leopold vom Nil,
zeigt uns grinsend seine Zähnchen,
schon vergessen sind die Tränchen.
Seht die kleinen Elefanten:
ausgelassene Giganten!
Hört doch nur, wie sie trompeten,
daß sogar die Bäume beben!
Hei am Límpo, hei am Pópo,
am Limpópo, am Limpópo,
dort am großen weiten Fluß
badet Hippopotamus,
und er singt, im Wasser liegend,
und er prustet vor Vergnügen,
und er singt und jauchzt „Juchhe“:
„Hoch soll leben Aututweh!“
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