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Gajto Gazdanov

Gajto Gasdanow „Pariser Emigrant - Taxifahrer - vergessener Prosaist

Das erzählerische Werk von Gajto Gasdanow (wiss. transliteriert: Gajto Gazdanov) war in Deutschland lange unbekannt, obwohl sich Slavisten und Übersetzer für seine Wiederentdeckung einsetzten. In Rußland wurde der Schriftsteller erst nach der Perestrojka einem größeren Publikum bekannt und gilt dort inzwischen als „moderner“ Klassiker.

Mitglieder von Mnemosina e. V. arbeiteten seit 2010 an der Wiederentdeckung des Schriftstellers im Rahmen eines Gasdanow - Projektes und übersetzten bisher im Deutschen unveröffentlichte Texte. Das Manuskript des stark autobiographisch geprägten Romans „Nočnye dorogi“ - „Nachtwege“ wurde zwei Verlagen in München und Berlin angeboten, damals ohne Resonanz.

Als Kostprobe aus dem Erzählwerk Gasdanows werden hier zum einen die Anfangskapitel des wundervollen, bis vor kurzem unveröffentlichten Romans „Nachtwege“ vorgestellt. Der Roman schildert aus der Sicht eines Taxisfahrers gleichermaßen das Pariser Nachtleben der 1930er Jahre und die tragischkomische Welt der russischen Emigranten.

 

 

 

Der seit 1923 in Paris lebende Gasdanow arbeitete seit 1942 bei der französischen Résistance mit, gab eine Untergrundzeitschrift heraus und versteckte Juden vor der deutschen Verfolgung. Die Jahre des Widerstandes hielt der Autor in der dokumentarischen Prosa „Auf französischer Erde“ (На французской земле) fest, die 1946 in Gasdanows eigener Übersetzung ins Französische u. d. T. „Je m’engage á défendre“ erschien. Die Erzählungen berichten von der wenig bekannten Tatsache, daß sich in Frankreich sowohl russische Emigranten als auch entflohene sowjetische Kriegsgefangene der Résistance anschlossen, und sich – über ideologische Grenzen hinweg – im gemeinsamen Untergrundkampf begegneten. Auch hier folgt ein kurzer Ausschnitt zur Anschauung.

 

 

 

Biographische Notizen zu Gajto Gazdanov

Gajto (Georgij) Gasdanow wurde 1903 in St. Petersburg geboren. Die Wurzeln seiner Familie reichen nach Nordossetien (Kaukasus), GG wuchs jedoch in einer rein russischsprachigen Kultur auf. Seine Kindheit verbrachte er, bedingt durch den Beruf des Vaters (ein zaristischer Beamter im Forstdienst) und dessen ständig wechselnde Dienstorte in zahlreichen Städten in Rußland, Sibirien, Belarus, Ukraine, Südrußland und im Kaukasus. Früher Verlust der Schwestern und des Vaters (1911). Umsiedlung mit der Mutter nach Charkov, wo Gasdanow zunächst die Kadettenschule (abgebrochen), dann ein Gymnasium besucht. Während des Bürgerkriegs 1919 meldet sich der Sechzehnjährige als Freiwilliger bei der Weißen Armee, nimmt auf einem Panzerzug an den Kriegshandlungen teil und wird nach der Niederlage der weißen Armee mit dieser 1920 nach Konstantinopel evakuiert. Besuch des provisorischen russischen Gymnasiums in Gallipoli (Türkei) und Shemen (Bulgarien).

 

1923 Umsiedlung nach Paris, wo er sich die ersten Jahre als Arbeiter, u. a. im Renaultwerk in Boulogne-Billencourt, verdingt, später als Nachttaxifahrer (bis 1946). Studium an der Sorbonne bis 1931 (Literatur, Soziologie, Wirtschaftstheorie), literarisches Debüt 1926 (erste Erzählung), Romandebüt 1930 „Večer u Klėr“ (Ein Abend mit Claire), der von den angesehensten russischen Kritikern der Emigration, aber auch von sowjetischen Schriftstellern wie Maxim Gorkij, hoch gelobt wurde. Der Roman besticht vor allem durch die Erinnerungstechnik (erste Liebe eines Jugendlichen, Erinnerungen an die Kindheit in Rußland und im Kaukasus, Bürgerkrieg in Südrußland und Krim). Regelmäßige Publikation seiner Prosa in Pariser Literaturzeitschriften, u.a. den renommierten „Sovremmenye zapiski“, nach dem Krieg in amerikanischen Zeitschriften und Verlagen der Emigration.

Gazdanov schließt sich 1942 der französischen Résistance an. Nach 1953 bis zu seinem Tod 1971 arbeitet der Autor beim Russischen Dienst von Radio Liberty, München. Das Werkarchiv des Schriftstellers befindet sich in der Universität Harvard (Mass.).

 

Das Erzählwerk umfaßt im Schaffenszeitraum 1926-1970 ca. 40 auf Russisch verfaßte Erzählungen, zahlreiche Essays und Rezensionen sowie neun Romane, der letzte blieb unvollendet.

Als beste Romane Gasdanows gelten neben dem Taxifahrerroman „Nachtwege“ vor allem das autobiographische Erstlingswerk „Ein Abend mit Claire“ („Večer u Klėr“, 1930), das ins Englisch (1988), Italienische (1996), Spanische (2011), Serbische (1999, 2003), Kroatische (2005), Estnische (2005) und Niederländische (1992) übersetzt wurde sowie der auf dem Pygmalion-Stoff beruhende späte Roman „Die Erweckung“ (Probuždenie, 1965).

Obwohl Gasdanow ausgezeichnet Französisch sprach, ist sein literarisches Werk ausschließlich in Russisch verfaßt, was zum Teil die späte Rezeption seines Werkes erklärt. Der Autor teilte insofern das Emigrantenschicksal Nabokovs u. v. a., als er in Rußland erst nach der Perestrojka ab 1988 publi¬ziert werden konnte. Die hohe Wertschätzung, die man dem Schriftsteller dort inzwischen entgegenbringt, zeigt sich in der Veröffentlichung von unzähligen Einzelausgaben seiner Romane und zweier Werkausgaben. Eine vollständige Ausgabe seines Schaffens in fünf Bänden, die erstmals den in der Universität Harvard bewahrten Nachlaß des Schriftstellers einbezieht, erschien erstmalig 2009 in Moskau im renommierten Verlag „Ėllis Lak“ (Sobranie sočinenij v pjati tomach – Gesammelte Werke in fünf Bänden, Moskau 2009).

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