Und zum Abschied nur – Schweigen.
Grammophon tönt im Hof.
Hier auf Erden ist Scheiden
nur ein Vorwort zum Tod.
Bis zum Ende schließt jeder
seine Augen allein.
Und so liegen wir später
auch im Grab nicht vereint.
Wer auch Schuld hat von beiden:
Ist der Fall vor Gericht,
wird nicht weniger leiden,
wen man schuldlos dann spricht.
Letzten Schritt vor der Schwelle
der Gewißheit getan:
Paradies nicht noch Hölle
sehn als Paar uns fortan.
Wie ein Pflug, seine Messer,
tief zerfurchen das Land,
spaltet Wahrheit noch besser
als die sündigste Hand.
Nicht aus Schuld, aus Versehen
die Karaffe zersprang.
Macht denn Gram ungeschehen,
daß da Wein uns zerrann?
Was einst tief war zusammen,
wird nun tiefer im Riß.
Kein Lorgnette, kein Verlangen
hilft: Die Bühne erlischt.
Uns dagegen zu wehren,
wäre stur und nicht klug.
Leben lernen die Scherben
wie gelebt einst der Krug.
Ob randvoll unsere Kelche,
ob die Neige uns eint –
nur das Maß ist dasselbe,
nicht die Wirkung des Weins.
Keineswegs wird‘ ich sterben,
wenn in kommender Zeit
außer ähnlichen Kerben
nichts gemeinsam uns bleibt.
Nicht in Fremde geschieden.
Doch geht Scham mit einher,
da verschieden wir fühlen
bei dem Wort „nimmermehr“.
Was nun bleibt: kondolieren,
wie auch trauernd wir sind.
Dann den Tod zu halbieren,
der beim Frühstück beginnt.
Man zersägt einen Ast hier,
dort zerschneidet man Garn.
Was wir waren und was wir
nicht konnten bewahr’n,
das verhüllst du in Schweigen,
denn im Laufe der Zeit
ist nicht Glück mehr zu greifen,
bloß Details – die des Leids.
Der Gedanke: „Nie wieder“
läßt dies Land zur Vision
eines Weltalles werden,
das zwar an Dimension
- weil auf Ruhm es versessen –
sich mit jeglichem Reich
hinter Lethe kann messen.
Doch tiefschwarz weiterreicht.
Alle Spuren vernichten?
Noch dazu mit Gewalt?
Diese Zeilen verdichten
nur der Not Widerhall.
All der Klatsch, das Gerede
hat gezeigt nur zu gut:
Man bemerkt wohl die Fehde,
nicht die Seelen im Flug.
Daß zu mir nicht ein Quälgeist
und zu dir kein Cherubim
dieser Meute den Weg weist,
nichts verrät, wo wir sind –
sei zum Abschied nur Schweigen.
Nur der Musenchor singt
zu dem posthumen Leiden,
das dem Leben entspringt.
1968
Mnemosina e.V.
Verein für europäische Erinnerungskultur
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