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Lyrik [deutsch - russisch]

Felix Tschetschik Феликс Чечик

Закругляя углы постепенно…

 

Allmählich die Ecken abrundend,

wirst Du zu einem Kreis.

Kein Verrat liegt dem Ganzen zugrunde.

Nein, mein Freund, nur die Zeit.

Das ist – Sommers im Grün ein Schneetreiben,

und die Rose im Wintergrau.

Das sind wir – uns umarmend vereinend,

wenn wir schließen das Aug’.

 

Aus dem Gedichtband „Mit eigenen Worten“. Buch neuer Gedichte / Из книги: Своими словами. Книга новых стихотворений

 

 

Ты царь …

 

Ein Zar bist Du:

Lebe allein.

Der Buchstabe

beherrsche dein Sein.

 

Aus dem Gedichtband „Mit eigenen Worten“. Buch neuer Gedichte / Из книги: Своими словами. Книга новых стихотворений

 

 

Всë путëм и сомнения нет –

 

Es ist alles – daran zweifle nicht –

dialektisch zu sehen.

Einst sahst du, wie der Tag anbricht,

und nun siehst du ihn zu Ende geh’n.

 

Du sahst einst: Die Sonne geht auf

(und vergaßt fast das Atmen),

und die kindliche Seele dehnte sich aus

wie ein Quecksilberfaden.

 

Doch der Alte betrachtet viel lieber,

wie die Sonne untergeht,

nicht Tod, nicht Staub sieht er,

sondern einen möglichen Weg

 

hinaus, dem Blick zu entschwinden,

am eigenen Ende vorbei,

mit dem Grünschnabel der Jugend zu trinken

die Milch der fahlen Zeit.

 

Aus dem Gedichtband: ПМЖ (Ständiger Wohnort), S. 182

 

 

Остановиться, оглянуться…

 

Anhalten und zurück sich wenden...

Ich steh’ und halt’ den Atem an

und seh in Urgroßmutters Händen

das Schälchen Tee: Sie nippt daran.

 

Getröpfel draußen, Pessachtage

und lang ersehntes Mazzebrot.

Zur Liebe, die da immer währet,

ist nur ein Zugewicht der Tod.

 

Im Haus tönt Jiddisch, Jiddisch, Jiddisch

und Kinderstimmen: „Wart’, ich kriege dich!“

Und im Dreikäsehoch, der kichert,

erkennst, schaust du genau hin – mich.

 

Anhalten und zurück sich wenden...

Ich hör’ der Glocken dünner Klang:

Drei Revolutionen unvollendet,

Drei Kriege ohne Abgesang.

 

Mein Wahnjahrhundert zählt die Groschen

und brennt und flammt als blaues Licht.

Doch das, was war, spricht Mameloschen,

ich hör darin, was ewig ist.

 

Aus dem Gedichtband: ПМЖ (Ständiger Wohnort), S. 171

 

 

Mein Vater begann, vor seinem Tod Jiddisch zu reden.

Niemals hatte er dies zuvor getan, zumindest

soweit ich mich erinnere. Aus dem Krankenhaus wieder.

Tränenüberströmt. „Wenn er doch das Trinken....“

beginnt irgendwie die Mutter. „Er war herzensgut.

Hat viel durchgemacht: als Kind im Heim, dann der Krieg.“

Mit den Jahren (20 sind verflogen) bin ich ihm

ähnlich geworden. Beide sind wir nun über vierzig.

Mein eigener Sohn wird groß und ich erkenne in ihm

mich selbst. Völlig akzentfrei schon

werd ich bald zu ihm sagen: "שלום" *

 

* שלום (Hebr.):  Leb wohl

 

 

Дождю спасибо – усыпил…

 

Dem Regen sei gedankt: ich döste ein.

Dank eines Vogels wurd’ ich wieder wach.

 

Die Heimat laß ich Heimat sein,

sie weint mir keine Träne nach.

Ein Blick durchs Fenster oft am Abend

zeigt Palestinas graue Dimension.

Die Märchen vom Zarewitsch, von Bojaren

erzählich ich längst nicht mehr dem Sohn.

Wie er Hebräisch schwadroniert –

ich kann’s kaum glauben: Halleluja.

Die Glotze läuft. Haushoch verliert

Spartak im Spiel der Bajuwaren.

Und ich hab nichts zu tun: Verblödetsein.

Unlängst das Kriechen in den Arsch der Macht.

 

Dem Regen sei gedankt: Ich döste ein.

Dank eines Vogels wurd’ ich wieder wach.

 

Aus dem Gedichtband: ПМЖ (Ständiger Wohnort), S. 11

 

© Deutsche Übersetzungen: © Isolde Baumgärtner

 

 

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